Frage:    Welche Rolle spielt der Verstand

Ich habe eine Frage, die den Verstand betrifft.
Ich habe gelesen, dass die Rolle des Verstandes auf dem kabbalistischen Weg zurückgedrängt werden soll
(weil er uns an die reale Welt klammert).
Ich glaube verstanden zu haben, dass der Verstand vom Glauben umfasst werden soll
(Glaube setzt den Rahmen für den Verstand).
Fühlen und Herz sind die entscheidenden "Schlüssel" zur Erschliessung der spirituellen Welten.
Das heisst doch aber offensichtlich nicht, dass Menschen auf dem spirituellen Weg
nichts mehr mit ihrem Intellekt anfangen dürfen.
Wie sollte ich denn mit Ihnen kommunizieren können.......?
Und es steckt doch auch intellektuelles Potential in den kabbalistischen Methoden.
Welche Rolle spielt der Verstand auf dem kabbalistischen Weg?
Ich weiß, das ist eine sehr "ausufernde" Frage.
Ich habe nicht die Erwartung auf eine Antwort, die alle möglichen Facetten umfasst.
Mir reicht hier völlig eine grundlegende Orientierung
und die bekomme ich aus dem Buch mit den Texten von Laitman einfach nicht zusammen.


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Antwort:

Zu Ihrer Frage, welche Rolle der Verstand in der Kabbala spielt, habe ich den Eindruck, dass Sie es gut erfühlt und gut verstanden haben, wie es gemeint ist. Trotzdem versuche ich die Frage aus meiner Sicht zu erhellen. Wenn wir unseren Verstand völlig wegfallen ließen (was sowieso nicht geht)..... wäre dies Glaube unterhalb des Verstandes, und nicht Glaube über dem Verstand. Denn der Verstand ist uns gegeben und ein bestimmter Teil, eine bestimmte Form, eine Phase des Lichtes. Der Glaube über dem Verstand, ist ein Punkt, wenn der Verstand das Wesen stufenweise, in einem Prozess der Erleuchtung verlassen hat, nicht wenn Sie es selbst gewählt haben, ihn nicht mehr anzuwenden und einfach von selbst damit anfangen wollen, nicht mehr den Verstand zu benutzen. Dieser Prozeß ist eine stufenweiser Vorgang, der den Verstand mit zu einem Punkt führt und einbezieht, an dem der Verstand keine Fragen mehr stellt und keine Antworten erhält, und es kommt auf diesem Weg immer die Wahl sich einem anderen "Verstand" oder Licht anzuhaften (in diesem Fall demjenigen des Schöpfers). Nur jemand, der wirklich alles, mit größtmöglicher Bemühung, also sein absolut Äußerstes versucht hat, dasjenige mit dem Verstand zu erzielen, was er sich wünschte, und dann damit scheiterte, kann sich an jemand anderen wenden, um authentisch etwas vom "Glauben über dem Verstand" zu sagen.
Die Frage über Glaube über dem Verstand kann auch nur da sein, wenn es auf der einen Seite unseren Verstand gibt und auf der anderen Seite den des Schöpfers. Glaube über Verstand vollzieht sich nur dann in Vollendung, wenn es einen direkten Kontakt mit dem Schöpfer gibt, das heißt, dies ist nur hinter der Grenze, der Mauer, dem Makhsom möglich, und damit haben nur sehr wenige Menschen eine Erfahrung. Vorher ist dieser genannte Punkt, Glaube über dem Verstand, alles eine Frage des Nachsinnens, Denkens oder Glaubens an den Glauben, aber nichtsdestoweniger ein sehr wichtige Frage. Ohne diesen "denkenden, verstandesgemäßen Glauben" würde das Geschöpf nie die Unterscheidung fühlen, die ihn nach dem Glauben über dem Verstand fragen ließe. Der erste wichtige Schritt hin zum Glauben über dem Verstand ist schon die Frage nach dem richtigen Glauben, der Glauben selbst kommt dann durch korrekte Bemühungen, die richtigen begleitenden Texte und die authentischen Personen die einen korrekt fortschreiten lassen.
Wenn die Kabbalisten immer wieder den Glauben betonen und den Verstand reduzieren, so entspricht das der Abstufung des Lichtes auf seinem Weg von Keter (Krone) = dem Unendlichen bis hin zu Malchut (Königreich) oder unsere Welt. Aus dem Ewigen (Phase 0) strahlt zuerst das Licht der Weisheit = Chochmah (Phase1) wird dann schwächer und verhüllter und ist danach Binah (Phase2) = das Licht der Intelligenz. Aus dieser Abstufung leitet sich ab, dass der Glaube immer über dem Verstand zu stehen hat.

 

Peter Staaden